Die Landwirtschaft läuft aus dem Ruder

Fehlentwicklungen

Während Industrienationen am Überfluss ersticken, geht in Entwicklungsländern der Hunger um. Fehlentwicklungen, die zusammenhängen. Mit Ursachenforschung und der Suche nach Lösungsmöglichkeiten der Misere befassten sich prominente Teilnehmer einer Podiumsdiskussion zum Auftakt einer neuen Kampagne der Hilfsaktion Brot für die Welt in der St. Michaelskirche.

Systematisch zerstören Agrarkonzerne durch illegale Brandrodung für großflächigen Sojaanbau die Lebensgrundlagen vieler argentinischer Kleinbauern. Soja dient als Tierfutter und zur Biospritproduktion. In beiden Fällen ist die Umwelt der Verlierer. Wie Ana Alvarez, Direktorin der mit Brot für die Welt kooperierenden argentinischen Hilfsorganisation Asociana, in St. Michael erklärt, werden mit Geld aus dem Sojageschäft zwar Sozialprogramme finanziert, doch die Menschen könnten sich nicht mehr selbst ernähren.

Neben dem Landraub macht die Flut billiger Lebensmittel aus Industriestaaten den Kleinbauern das Leben schwer. Eine „verlogene Politik“ ist es für den Bundestagsabgeordneten der Fürther Grünen, Uwe Kekeritz, wenn Deutschland einerseits Entwicklungshelfer schickt, um den nachhaltigen Landbau voranzubringen, andererseits aber zerstörerischen Exporten keinen Riegel vorschiebt. Ins gleiche Horn bläst Isabella Hirsch von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Mittelfranken, wenn sie darauf hinweist, dass die Weltbank Zölle verhindere, mit denen sich arme Agrarländer vor der ruinösen Importware schützen könnten.

Dass es mit der Verteilung des Wohlstands nicht getan ist, verdeutlicht der neue Landesbischof Heinrich Bedford-Strom. Es müsse vorrangig die Ernährung aus eigener Kraft gewährleistet werden. Was deutsche Verbraucher dazu beitragen können? Weniger Fleisch essen und beim Bauern einkaufen, rät Hirsch. Allerdings entscheide neben dem Verbraucherverhalten auch die Verteilung der Agrarsubventionen über die Zukunft der Landwirtschaft. Wie in Argentinien verlieren laut Hirsch Kleinbetriebe auch hierzulande durch einseitige Förderung – etwa von Energiepflanzenanbau – ihre Wurzeln. Es sei doch absurd, dass das, was bei der Kuh hinten herauskommt, schon mehr Geld bringt als die Milch.

Einen Umbau unserer Landwirtschaft fordert Kekeritz auch, um Menschen in Entwicklungsländern eine Chance zu geben, sich wieder selbst zu ernähren. Von paradiesischen Zuständen autarker kleinbäuerlicher Strukturen berichtet der in Papua-Neuguinea aufgewachsene Landkreis-Dekan Friedrich Schuster. Keinen Illusionen mag sich Alvarez hingeben, wenn sie sagt: „Was gegessen wird, entscheiden letztendlich nicht die einfachen Menschen, sondern Börsenmakler.“

Dennoch siegt am Ende der von Politikredakteur Ulrich Künzel von der Nürnberger Zeitung moderierten Podiumsdiskussion nicht die Resignation. Im Auditorium hält es Christa Henninger aus Oberdachstetten für geboten, wieder einen Bezug zu Lebensmitteln zu bekommen. Es gehe um die Frage wo wir einkaufen und was uns die Dinge wert sind. Bedford-Strom bringt es auf den christlichen Nenner: „Aus Dankbarkeit bewusst leben.“ Zum bewussten Lebensmittelkauf sieht er auch für kirchliche Einrichtungen noch Lernbedarf. Verzicht, etwa auf übermäßigen Fleischkonsum, müsse vom Makel des Verlusts befreit werden. In Wirklichkeit könne Einschränkung ein Gewinn an Lebensqualität sein.

Quelle: nordbayern.de v.03.12.2011

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